Fortgeschrittene Alphabeten, die das Elend täglicher Nachrichten auch in sprachlicher Hinsicht zur Kenntnis nehmen, können sich über eine erfreuliche Ausnahme freuen: → Medien berichten in diesen Tagen, dass die FDP-Politikerin Strack-Zimmermann seit Februar vergangenen Jahres 1.894 Sachverhalte angezeigt habe. Die Freude gilt indes nicht der Zahl von Strafanzeigen ein und derselben Absenderin – insoweit könnte man von querulatorischem Verhalten oder schlicht der untauglichen Anbahnung von Brieffreundschaften sprechen. Immerhin belastet Strack-Zimmermnn die zuständigen Strafverfolgungsbehörden mit monatlich bis zu 250 neuen Strafanzeigen. Nein, das Erfreuliche liegt in einem anderen Umstand, nämlich in der korrekten Formulierung des Vorgangs durch die Journaille.
Strafanzeigen werden erstattet, wie die Presse hier zutreffend formuliert. Diese – schon sprachliche – Selbstverständlichkeit ist einer irgendwann eingerissenen Routine zum Opfer gefallen, wonach Strafanzeigen gestellt werden. Letzteres ist grober Unfug, denn gestellt werden Anträge, nicht aber Anzeigen, die erstattet werden. Diese schon dem Sprachgefühl entsprechende Unterscheidung ist auch im Strafrecht anzutreffen, das Gegenstand von Strafanzeigen ist. Denn Strafanzeigen sind einfache Sachverhaltsmitteilungen und keine rechtlichen Erklärungen, auch wenn sie im Falle falscher Verdächtigungen drastische Folgen für den Anzeigenerstatter zur Folge haben können. Deshalb werden Anzeigen – wie auch Meldungen – erstattet. Gestellt werden demgegenüber Anträge und also auch Strafanträge, die etwas gänzlich anderes sind als Strafanzeigen. Der Unterschied wird Juristen bekannt sein, was von der korrekten Sprachnutzung leider nicht behauptet werden kann: selbst Anwälte, die ihre Mandanten erfolgreich gegen den Vorwurf verteidigen, dass die Einordnung von Strack-Zimmermann als Kriegstreiberin eine strafbare Beleidigung sei, erwähnen auf ihrer → Webseite gestellte Strafanzeigen. Der tägliche Konsum journalistischer Produkte scheint abzufärben.
Weil Strafanzeigen nur Sachverhaltsmitteilungen sind, kann man mit ihnen auch wenig gestalten – abgesehen von der Beeindruckung unerfahrener Zeitgenossen. Strack-Zimmermann ist da keine Ausnahme und erzielt mit nur 80 Anklagen nach 1.894 Anzeigen nur einen marginalen Erfolgsanteil von 4,2 %. Wer gestalten will, muss verhandeln, im Rechtsleben wie in der Politik. Wer das nicht kann, flüchtet sich in Rechthaberei, und damit ist man unsympathisch.
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