ARD: History als Gaudi, Geschichte ohne Information
Unlängst erreichte mich ein Link zu einer Dokumentation von ARD-History über einen privaten Besuch Helmut Kohls in der DDR, empfohlen als recht amüsante und unterhaltsame Möglichkeit, sich mit deutsch-deutscher Geschichte zu befassen. Titel des als sehr köstlich gewerteten ahistorischen Filmchens in der ARD-Mediathek: → Geheimdiplomat Bundeskanzler: Wie Helmut Kohl die Staatssicherheit narrte.
Ja, die deutsch-deutsche Geschichte hat wohl unterhaltsame Seiten, wenn man bei der Betrachtung historischer Prozesse Unterhaltungswert erkennt. Das ist bei historischen Entwicklungen, die immer auch blutig sind, nicht anders als in Action-Filmchen – es kann durchaus spannend sein. Eine amüsante Seite lässt sich der deutsch-deutschen Geschichte indes nicht abgewinnen.
Mit deutsch-deutscher Geschichte ist die Teilung Deutschlands als Folge des verbrecherischen NS-Krieges Deutschlands gemeint (der war übrigens ein → Vernichtungskrieg, nämlich spätestens ab dem Überfall auf die Sowjetunion). Die Teilung beginnt mit den → Konferenzen der Anti-Hitler-Koalition, die zur Besetzung und Aufteilung Deutschlands und Österreichs in Besatzungszonen und -sektoren führten. Es folgte die Gründung der BRD in den drei Westzonen Deutschlands, gefolgt von der Gründung der DDR in der SBZ, bis zu den völkerrechtlichen 2-plus-4-Verträgen, die die sog. Wiedervereinigung Deutschlands ermöglicht haben (es war in Wirklichkeit ein bislang nicht verdauter Beitritt des DDR-Territoriums zur BRD).
Kohls Privatreise in die damalige DDR (damals schrieb man im Westen noch „DDR“ mit Anführungszeichen) ist schon lange bekannt, das Filmchen der ARD kommt aus dem Mustopp.
Der Grund der sog. Privatreise Kohls 1988 in der DDR, in der sog. Dokumentation als „politischer Husarenstreich des Helmut Kohl“ verkauft, war die in der CDU lange herumgeisternde → Hallstein-Doktrin – bloß nicht die DDR anerkennen! Dabei war das schon 1972 mit dem Grundlagenvertrag zwischen DDR und BRD erfolgt. Bis zum Grundlagenvertrag war kein deutscher Staat bei der UNO vertreten, danach beide. Damals wusste man bei der SPD noch, wie Außenpolitik und Diplomatie gehen – heute sind fast alle Parteien von verblendeten Transatlantikern durchsetzt, die die ehemals erfolgreiche Ost-Politik in die Tonne treten.
Bleibt die Frage, warum die ARD in dieser Zeit ein solches Filmchen bringt. Die Story ist Schnee von gestern, der Unterhaltungswert resultiert aus Überheblichkeit gegenüber dem Osten. Die Hallstein-Doktrin wird kein einziges Mal erwähnt. Klassisches Schnuller-TV.
Derweil läuft der geopolitische Prozess um die Ukraine und andere Brandherde auch → auf unserem Rücken ab. Das ist durchaus spannend, wenn man das Ob und Wie des eigenen Überlebens im Trial-and-Error-Modus erkunden will. Amüsant ist daran gar nichts.
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