Wir waren einkaufen. Im Supermarkt. Erworben wurden Waren des täglichen Bedarfs, nämlich Kunst. Der Erwerb war ein Zufallstreffer.
Wir waren in der Sommerfrische im dafür wunderbar geeigneten → Lychen. Die große Politik ist weit weg, und die kleine in der Provinz lässt sich besichtigen an lokalpolitischen Scharmützeln um Hafengestaltung und Wasserliegeplätze. Zwei der leidenschaftlichen Kontrahenten sind unmittelbare Nachbarn, der eine als Betreiber des als Unterkunft sehr zu empfehlenden → Wiekhaus am See und der andere als Inhaber des nebenan liegenden, ebenfalls zu empfehlenden → Hofcafé und Bioladen Vogelgesang.
Nach einer unseren zahlreichen Radtouren kehrten wir zurück ins übersichtliche Zentrum von Lychen und hofften auf koffeinhaltige Getränke in einer neben dem → sowjetischen Ehrenfriedhof Hohenlychen gelegenen kleinen Eisdiele. Dort gab es leider nur Speiseeis. Vor dem Nebengebäude, einem unscheinbaren Flachbau mit dem Charme eines Supermarkts, erspähten wir ein bescheidenes, aber magisches Schild: galerie, café, shop. Mit der automatischen Glastür öffnete sich ein Supermarkt eigener Art: eine geräumige Ladenfläche, licht und hell, mit großzügig angeordneten Ausstellungsflächen statt eng gestellter Regale, ergänzt mit einer Lounge und einem kleinen Shop. Wir waren im → KunstPlatz Lychen gelandet. Als wir die an der Bar erstandenen kalten und dann heißen Erfrischungsgetränke genossen, ist es passiert: Zwei Kunstwerke zogen uns in ihren Bann – die Rote Vase von Robert Günther und die Scharfe Mischung von Gudrun Lomas.
Die Rote Vase,
von der Motorsäge gezeichnet,
grob geschliffen und gewachst,
fühlt sich samtig an.
Sie steht nun auf
einer alten Truhe
aus gleichem Material.
Robert Günther, Rote Vase
So wie man das Gesicht verzieht,
wenn die Mischung
zu scharf war,
so verzogen
ist der Keilrahmen.
Gudrun Lomas, Scharfe Mischung
Ohne Musik wäre das Leben ein Irrtum. (→ F. Nietzsche).
Ohne Bücher, Bilder und Plastiken ebenso.
Die Rote Vase und die Scharfe Mischung bereichern jetzt unser Wohnzimmer und leisten dort ihren Beitrag zur seelischen Erhebung. Als Waren des täglichen Bedarfs.
Wie → Robert Günther schreibt:
Kunst ist Lebensmittel.
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